C 4.5 Georäumliche Gruppierungen und Interessengebiete (AOI)

C. 4.5  Georäumliche Gruppierungen und Interessengebiete (AOI)

Zur räumlichen bzw. kartographischen Interpretation von Blickbewegungsmessungen ist es erforderlich, Größen zu finden, mit denen Standorte oder flächige Einheiten von Fixations- und Sakkadenwerte den wahrgenommenen Werteoberfläche zugeordnet werden können. Das Konstruktionsverfahren der dazu  verwendeten AOI-Einheiten wird im Folgenden, da es schon in Kapitel 3.2.2 erläutert wurde, verkürzt dargestellt.

4.5.1 Bildung von kartographischen AOI-Einheiten:

Ein Problem in der fachübergreifenden Eyetracking-Forschung ist die Auswahl von Interessengebieten (AOI-Einheiten): Zu Anwendung werden oft sehr unterschiedliche AOIs für ähnliche Stimuli verwendet, was  Vergleiche schwierig oder sogar unmöglich macht. Subjektive Entscheidungen bei der Auswahl von AOIs verursachen Unterschiede in AOI-Form, -Größe und -Position. Andererseits sind nicht viele Richtlinien für die Konstruktion von AOIs oder Vergleiche zwischen AOI-Herstellungsverfahren verfügbar.
Einzelnen, beispielsweise in einem Tabellenzusammenhang oder Textverlauf präsentierten Größen, kommt ein unterschiedlicher Stellenwert für die Interpretation des Blickverlaufs zu. Besonders gilt dies für die als Cluster zusammengefassten Werte, deren lagegerechte Zuordnung zur Struktur der wahrgenommenen Vorlage nicht in jedem Fall möglich ist. Als Interpretationshilfe können die konstruierten AOI-Einheiten gesehen werden, mit deren Hilfe einmal die Grenzen zwischen in der Nachbarschaft liegenden Fixationshäufungen und zum anderen eine eindeutige Ansprache mit der entsprechenden Zuordnung von Clustermerkmalen möglich wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Berechnungsalgorithmus nicht in jedem Fall eine Flächenbildung der AOIs anbietet, die dem Blickverlauf folgt. Dies macht gleichfalls die eingeschränkte Funktion der AOIs für kartographische Vorlagen und Interpretationen deutlich. Sie können nicht etwa die Abgrenzung der Lageverteilung von Fixationen und Sakkaden ersetzen und ergänzen, wie es in anderen Anwendungsbereichen eher der Fall ist, etwa der Gesichtserkennung oder bei manuell konstruierten AOIs der Werbung oder Raumanalyse (vgl. Hessels et al. 2016).
Für die vorliegenden Untersuchungen zur Blickbewegungsmessung wurden eigene Methoden und Formen zur Bildung von AOI-Einheiten entwickelt. Es stellte sich heraus, dass keine Algorithmen eistieren, mit deren Hilfe für kartographische Aufgaben automatisch AOI-Einheiten generiert werden können. Die Ausbreitung der zu berechnenden Einheiten sollte auf der Basis von zusammenhängenden Fixationsausprägungen und -positionen erfolgen.  Mit den „klassifizierten Clustern“ existierten zwar solche Einheiten, es können aber auf ihrer Basis keine statistischen Daten generiert werden, mit deren Hilfe separat für die einzelnen Einheiten empirische Analysen durchgeführt werden können.

Unter Berücksichtigung der genannten Vorgaben, wurden die AOI-Einheiten mit Hilfe von interaktiven Verfahren generiert und den Flächeneinheiten die zugehörigen Werte der jeweiligen Cluster zugeordnet (vgl. Tab. 45).

Abb.45.1 Aufmerksamkeitsverteilung: „Informationsmuster“, Gest. Gittersignaturen

Bei den klassifizierten Clustern (Abb. 45.2) sind alle Clusterpunkte enthalten. Es gibt 6 verschiedene Kreisgrößen, der größte Kreis besagt, dass dieser Clusterpunkt mit 6 Nachbarpunkten korreliert, was die Existenz eines Clusters an dieser Stelle bestätigt. Kleine Kreise stehen für eine geringe Dichte an benachbarten Clusterpunkten und können als „Rauschen“ angesehen werden.

 

Abb. 45.2 Einfache und klassifizierte Clusteranalyse incl. Density-Darstellung

 

Abb. 45.4 Interessengebiete  (AOI-Einheiten), „Informationsmuster“, Gest. Gittersignaturen

 

     Tab. 45 Fixationswerte der AOI-Einheiten, Gest. Gittersignaturen Abb. 45.4 Durchschnittliche Fixationsdauer, „Informationsmuster“ (U2), Gest. Gittersignaturen

Auswertungsbeispiel: Höchste Anzahl Fixationen bei AOI-Einheit 4 und 12, geringste Anzahl bei AOI-Einheit 19.

AOI-Einheit 19 mit der geringsten durchschnittlichen Fixationsdauer ist eine äußerst kleine Einheit, der nur eine Fixation zugeordnet ist.

Vor allem relevant ist die durchschnittliche Fixationsdauer, (unterschiedliche Anzahl von Fixationen /Fixationsdauer je Cluster).

4.5.2 Vergleich von AOI-Einheiten (Clustervergleich)

 
Tab. 45.1
Im Gegensatz zum ersten Vergleich, sind bei dieser Untersuchungsreihe bei keiner Modellform AOI-Einheiten enthalten, die mehr als 20% der Gesamtfixationen erhalten haben. Die Modellform Schattierungen hat die geringste Anzahl an AOI-Einheiten, die Isarithmen haben die höchste Anzahl.

 Vergleiche von AOI-Einheiten der Untersuchungen U1  und U2

Die beiden Untersuchungen U1 und U2 wurden vollständig als separate Stichproben durchgeführt. Die Trennung von Graphikelementen und Zeichenelementen im Wahrnehmungsprozess ist natürlich  nicht vollständig möglich, da beide Elementgruppen im Kartenbild voneinander abhängig repräsentiert werden. Zu Erinnerung: Eine Trennung wurde daher durch  zwei unterschiedliche  Aufträge an die Versuchspersonen hervorgerufen, bei U1: Visuell-gedankliche Antworten zur graphischen Struktur von Karten. Und U2: Antworten zum Inhalt von Karten. Eine Unterscheidung der Ergebnisse der beiden Blickbewegungsmessungen bezieht sich also nicht allein auf das Angebot der graphischen Elemente, sondern bezieht sich, in Abhängigkeit von den jeweilgen Aufträgen, vor allem auf eine unterschiedliche Zielorientierung im Wahrnehmungsvorgang.
Mit den folgenden Abbildungen und Tabellen wird für die sieben Modellformen unter Berücksichtigung der  entsprechenden Aufträge  gezeigt, dass zwischen der Wahrnehmung von separierten Graphikelementen (U1) zusätzlich zu der Wahrnehmung von bedeutungstragenden Informationsmustern (U2) Unterschiede bestehen.
                 U1                                                     Choroplethen                                                    U2

        U1                                                  Flächendiagramme                                                   U2

             U1                                                Gestufte Gittersignaturen                                                U2

           U1                                                  Diskrete Niveauflächen                                            U2

                  U1                                               U2

Tab. 45.2 Gegenüberstellung der Werte der Modellformen von Untersuchung U1 und U2

Tab. 45.3 Dynamik der Blickbewegungen aus max. Fixationsgrößen

4.5.3 Zusammenfassung und Resümee

Tab. 45.4 Gegenüberstellung der Werte der Blickbewegungsstruktur  von U1 und U2