2.7 Color Appearance Model (CAM)

2.7 Color Appearance Model (CAM)

Bei der Simulierung von Farb- und Beleuchtungsszenen für verschiedene Bereiche der Beleuchtungs- und digitalen Farbanwendung, wie zum Beispiel in der Photographie oder Fernseh- und Computertechnik wird versucht, das Zusammenwirken der im Kapitel 2.5.4 aufgeführten Farberscheinungen als Gesamteindruck modellhaft zu beschreiben. Von Mark Donald Fairchild ist dazu das sog. Color Appearance Model vorgestellt worden (Fairchild et al. 2004Fairchild, M.D. u. Johnson, G.M. (2004): The iCAM Framework for Image Appearance, Image Dierences and Image Quality. In: Journal of Electronic Imaging, Fairchild 2013 Fairchild, M.D. (2013): Color Appearance Models, 3. Aufl., Chichester), dass die unterschiedlichen Kombinationen von Farberscheinungen in messbarer Form zusammenfasst. Das Color Appearance Model fasst die unterschiedlichen Kombinationen von Farberscheinungen in messbarer Form zusammen.
Als einfaches Beispiel eines solchen Modells kann das farbmetrische CIELAB-Farbsystems gesehen werden. C_I_E steht für Commission internationale de l’éclairage (Internationalen Beleuchtungskommission), die weltweit Standards u.a. für farbmetrisch definierte Farbräume bzw. Beleuchtungssituationen entwickelt bzw. deren Entwicklung unterstützt. Bekanntes Beispiel ist der XYZ-Farbraum oder das CIE-Normvalenzsystems. L_A_B steht für Koordinatenachsen von Farborten in einem standardisierten Farbraum, wobei sich auf einer a-Achse (A) in Anwendung der Gegenfarbentheorie Grün und Rot gegenüberliegen und auf einer b-Achse (B) die Gegenfarben Blau und Gelb. Die L-Achse (L) steht auf der daraus gebildeten Ebene für Helligkeit. In das CIELAB- Farbsystem fließen zum einen physikalisch bestimmbare Farbtöne und zum anderen psychologisch-neuronale Erscheinungen der visuellen Wahrnehmung ein, was auch den theoretischen Grundlagen eines CAM entspricht. In CIELAB-Farbsysteme fließen physikalisch Farbtöne und psychologisch-neuronale Erscheinungen der visuellen Wahrnehmung ein; das entspricht der theoretischen Grundlage eines CAM.

2.7.1 Farberscheinungseffekte

Im Folgenden werden einige bekannte Farberscheinungseffekte aufgeführt, die in Kapitel 2.5.4 noch nicht erwähnt wurden und die in CAM-Systemen berücksichtigt werden:
  • Spreading-Effekt und Neon Color Spreading:
    der Effekt, wenn eng beieinander liegende Punkte noch deutlich zu sehen sind, die Farben aber schon miteinander verschmelzen; beim Neon Color Spreading ist der Spreading-Effekt mit dem visuell-graphischen Phänomen der Transparenz kombiniert (vgl. van Tuijl et al. 1979Tuijl, H.F.J. van u. Leeuwenberg, E.L.J. (1979): Neon color spreading and structural information measures . Perception & Psychophysics 25 (4), 269-284).
  • Abney-Effekt:
    der Effekt, wenn monochromatisches Licht mit weißem Licht vermischt wird, bei dem sich nicht nur die Sättigung, sondern auch der Farbton verändert (vgl. Pridmore 2007Pridmore, R. (2007): Effect of purity on hue (Abney effect) in various conditions. Color Research and Application. 32.1, 25–39). Daraus folgt, dass bei einem Farbton nicht nur die gemessene Wellenlänge bestimmt werden sollte sondern auch die Wellenlängen des beleuchtenden Lichts.
  • Helmholtz-Kohlrausch Effekt:
    der Effekt, dass die empfundene (absolute) Helligkeit bei gleichbleibender Leuchtdichte durch zunehmende Sättigung zunimmt und vom Farbton beeinflusst wird. Ein buntes Bild wirkt daher bei konstanter Helligkeit heller als ein einfarbiges Bild (vgl. Wyszecki et al. 1982 Wyszecki, G. u. Stiles, W.S. (1982): Color Science: Concepts and Methods, Quantitative Data and Formulae. New York).
  • Hunt- und Stevens-Effekt:
    beim Hunt-Effekt führt eine Erhöhung der Leuchtdichte eines Reizes auch zu einer Erhöhung von dessen Farbigkeit, d.h. hellere Reize erscheinen farbiger (Hunt 1952 Hunt, R.W.G. (1952): Light and dark adaptation and the perception of color. J. Opt. Soc. Am, 42, 190-199). Beim verwandten Stevens-Effekt nimmt der Kontrast mit der Leuchtdichte zu (Stevens et al. 1963Stevens, J.S. u. Stevens, S.S. (1963): Brightness function: effects of adaptation. In: Journal of the Optical Society of America, 53.3, 375–385 ), was bedeutet, dass dunklere Farben bei starker Beleuchtung dunkler und hellere Farben heller erscheinen.
  • Helson-Judd-Effekt:
    Zufällige Muster, die mit einem starken monochromatischen Licht bestrahlt werden, nehmen den Farbton des Lichtes an, wenn sie heller als der Hintergrund sind. Sobald sie dunkler sind, nehmen sie den komplementären Farbton an (Judd 1940 Judd, D.B. (1940): Hue saturation and lightness of surface colors with chromatic illumination. Journal of the Optical Society of America 30, 2-32).
  • Adaptions-Effekte:
    Durch Adaption ist es möglich, die Empfindlichkeit der Wahrnehmung auf Veränderungen in der Umwelt anzupassen (vgl. Kap. 4.55). Unterscheiden lassen sich: Hell-Adaption, Dunkel-Adaption und Farb-Adaption (Chromatische Adaption). Die Chromatische Adaption wird in fast allen CAM-Systemen berücksichtigt. Es werden angebotene „unnatürliche Farben“, wie z.B. ein sog. Rotstich eines Bildes, so ausgeglichen (adaptiert), dass ein natürlicherer Eindruck entsteht (vgl. Kallmann 2003Kallmann, A. J. (2003): Farbkonstanz und Farbkontrast. Eine Untersuchung mit Hilfe der farbigen Schatten. Diss. Univ. Mainz).

2.7.2 Anwendungen von CAM

Ulrich Eisemann (2004) Eisemann, U. (2004): Modellierung der Farberscheinung mit Hilfe einer wissensbasierten, an neuronalen Netzen orientierten Struktur. Berlin hat in der Einleitung seines Buches konkret und verständlich beschrieben, welche Probleme beim Einsatz von Farberscheinungsmodellen bestehen und in Zukunft berücksichtigt werden sollten: Das Ziel der Entwicklung von CAM ist die automatische Analyse von farbigen Szenerien.

„Eines der wichtigsten ungelösten Probleme im Bereich der elektronischen Farbbildverarbeitung stellt die Entwicklung eines umfassenden Modells für das Farbsehverhalten des Menschen dar. Ein … Farberscheinungsmodell sollte in der Lage sein, die farbwahrnehmungsfixierten Objekte in unterschiedlichsten Szenen korrekt zu beschreiben. Da das visuelle System komplexe Adaptationsmechanismen aufweist und sich ständig selbst an Helligkeits- und Farbverteilungen innerhalb des Gesichtsfeldes anpasst, … ist die Farberscheinung als örtliches Phänomen immer das Resultat eines komplizierten Vergleiches des fixierten Objektes mit allen in einer Szene auftretenden Farben“.

Er führt weiter aus, dass die bisherigen Lösungen nur unzureichend sind, da sie noch die „Leistungsfähigkeit der Modelle vom Anwender abhängig machen“. Das Ziel der Entwicklung von CAM ist also, dass farbige und elektronisch erzeugte Szenen hinsichtlich ihrer beobachtbaren farb- bzw. photometrischen Größen automatisch analysiert werden und Objekte, die in ihrer Farbigkeit betrachtet werden sollen, hinsichtlich möglicher verfälschender Farberscheinungen (Effekte) korrigiert werden.
Bei einem CAM werden, als erster Modellabschnitt, zunächst die CIE-Farbwerte (vgl. CIELAB-Farbsystem) eines zu reflektierenden Farbreizes, der visuell verarbeitet werden soll, bestimmt. Dabei werden je nach Modell entweder nur ein kleiner Sichtbereich als zwei Grad großer Hauptfarbreiz im Sehzentrum oder die gesamten, etwa zehn Grad großen Umgebungsreize erfasst (vgl. 2°- und 10°-Normalbeobachter, Kapitel 2.3). Danach werden Phänomene wie Leuchtdichte, Sättigung, Farbton, absolute und relative Helligkeit, Buntheit und andere Werte eines Reizes bestimmt. Komplexer ist die Bestimmung der umgebenden Farbszenerie. So werden Farbabstände zwischen Farbflächen nach euklidischen Regeln bestimmt, und danach aufbauend, die meistens von der Farbumgebung ausgehenden oben genannten Farbeffekte auf die Beeinflussung des zu betrachtenden Farbreizes ermittelt. Weiter erfolgt, als zentraler Bereich eines CAM-Systems, die Transformation bzw. Farbkorrektur der zentralen und umgebenden Farbpräsentation. Bei einem CAM werden die CIE-Farbwerte eines zu reflektierenden Farbreizes bestimmt
Ein bekanntes Beispiel für ein CAM-System ist das Hunt Modell, bei dem z. B. die oben vorgestellten Eigenschaften von Bezold und Brücke, Abney, Helmholtz und Kohlrausch, Hunt, Helson und Judd, Stevens, Bartleson und Breneman sowie Simultan-Kontrast Effekte berücksichtigt sind (Hunt 2004Hunt, R.W.G. (2004): The Reproduction of Colour. Wiley & Sons). Es werden dabei sämtliche Merkmale eines Sichtfeldes unabhängig voneinander mit einbezogen. Weitere Modelle sind das Nayatani Model, das für die Anwendung in der Beleuchtungstechnik konzipiert ist, das RLAB-Modell mit relativ einfach zu handhabenden Parametern sowie die von der CIE anerkannten und unterstützten Modelle CAM97s und CIECAM02. Gerade beim letzteren Modell wurde angestrebt, die Anwendung zu vereinfachen, um es vielseitiger einsetzen zu können. Beim relativ aktuellen Modell iCAM können sukzessiv zusätzliche Farberscheinungsparameter integriert und an bestimmte Anwendungen angepasst werden (Fairchild et al. 2004 Fairchild, M.D. u. Johnson, G.M. (2004): The iCAM Framework for Image Appearance, Image Dierences and Image Quality. In: Journal of Electronic Imaging). Beim aktuellen iCAM-Modell können zusätzliche Farberscheinungsparameter integriert und das Modell an bestimmte Anwendungen angepasst werden.