4. Kartographische Daten und Zeichen

4. Kartographische Daten und Zeichen

Wie im Kapitel 3.1.1 angedeutet wurde, existieren in der Psychologie und in den Neurowissenschaften sowie in verschiedenen Anwendungsbereichen wie der Informatik, der Wissenschaftlichen Visualisierung, dem Grafikdesign, den Sprachwissenschaften und den Erziehungswissenschaften eine große Anzahl von Untersuchungen zur sensorischen und kognitiven Verarbeitung visueller raumbezogener Informationen im Rahmen von graphischen Präsentationen. Allerdings ist es bisher nicht gelungen, einheitliche Grundlagen für einen umfassenden Ansatz der visuellen Informationsverarbeitung zu entwickeln. Ein Grund liegt wahrscheinlich darin, dass es bisher nicht möglich war, graphische Elemente und Strukturen als umfassendes System der Kommunikation und Informationsverarbeitung zu beschreiben, das heißt, die wichtigsten potenziellen Wirkungsmerkmale graphisch-räumlicher Figurationen, Zeichen oder Bilder zu erfassen (vgl. dazu die Diskussion bei Schumann-Hengsteler 1995, S.84ff Schumann-Hengsteler, R. (1995): Die Entwicklung des visuell-räumlichen Gedächtnisses. Göttingen). Es existiert eine große Anzahl von Untersuchungen zur sensorischen und kognitiven Verarbeitung raumbezogener Informationen im Rahmen von graphischen Präsentationen.
Außerdem fehlt dazu ein einheitlicher Begriffsapparat, was sich auch in vielen Anwendungsbereichen oder Wissenschaftsdisziplinen bis hin zu künstlerischen Disziplinen wie der Graphischen Gestaltung zeigt (vgl. dazu Arnheim 2001 Arnheim, R. (2001): Anschauliches Denken, Köln.). Zum anderen wird bei der Definition räumlich-graphischer Konstrukte oder informationsverarbeitender Prozesse häufig nicht berücksichtigt, dass zwischen der visuellen Wahrnehmung von Merkmalen der natürlichen Realität einerseits und Abbildungen oder Zeichen andererseits ein struktureller Unterschied besteht, zumindest in den Bedingungen der perzeptiven Aufnahme des optischen Reizangebotes (vgl. Schumann-Hengsteler 1995, S. 136ff Schumann-Hengsteler, R. (1995): Die Entwicklung des visuell-räumlichen Gedächtnisses. Göttingen). Dabei wird häufig nicht berücksichtigt, dass zwischen der visuellen Wahrnehmung von Merkmalen der natürlichen Realität und graphischen Abbildungen oder Zeichen ein struktureller Unterschied besteht.

4.1 Reizstruktur und Wirkung kartographischer Zeichen

Auch in der Kartographie stellt sich für empirische Untersuchungen diese Situation als Problem dar, so dass im Folgenden der Versuch unternommen wird, einige grundlegenden Begrifflichkeiten anzuführen, die eine Basis für empirische Wahrnehmungsuntersuchung bieten sollen. Einheitliche Begriffe für empirische Wahrnehmungsuntersuchung in der Kartographie.
Für die Definition kartographischer Präsentationen werden die in der Wahrnehmungspsychologie oder den Neurowissenschaften selten genannten Phänomene expressiver Graphik- und Kontrastwirkung berücksichtigt (vgl.
Bollmann et al. 2001 Bollmann, J. u. Schumann, H. (2001): Expressivität. In: Lexikon der Kartographie und Geomatik. 1, Heidelberg). Die Phänomene ergeben sich aus Gestalterscheinungen, Helligkeitsabstufungen, Farbtonreihen verbunden mit Größen-, Form- und Texturmerkmalen und repräsentieren semantische Merkmale oder kategorialen Ordnungsreihen. Im vorgestellten Konzept wird neben Primärreizen, die separat und unmittelbar wirken, diese zweite expressive Wirkungsebene hervorgehoben, durch die sich die Ableitung von spezifischen Zeichenbedeutungen ergeben kann (vgl. Tab. 41.1).
 

Neben Primärreizen kann eine zweite Wirkungsebene, die der Expressiven Reize, unterschieden werden, bei der Gestalt-,Kontrast- und Nachbarschaftsrelationen zu zusätzlichen Informationen führen.

 

 

Aus kybernetischer oder systemtheoretischer Sicht kann nach Klix (1971) Klix, F. (1971): Information und Verhalten. Kybernetische Aspekte der organismischen Informationsverarbeitung. Einführung in naturwissenschaftlichen Grundlagen der Allgemeinen Psychologie. Bern konstatiert werden, „dass unterschiedliche Frequenzbestandteile eines Prozesses als informationstragende Größen anzusehen sind“ ( S.53 Klix, F. (1971): Information und Verhalten. Kybernetische Aspekte der organismischen Informationsverarbeitung. Einführung in naturwissenschaftlichen Grundlagen der Allgemeinen Psychologie. Bern). Das zugrundeliegende Signal kann dabei nicht nur von der Zeit, sondern von Koordinaten eines Ortes abhängig sein, so dass dann von einem sogenannten Ortsfrequenzspektrum gesprochen wird. Sollen dazu ein-, zwei- oder dreidimensionale Strukturen analysiert werden, kann das Ortsfrequenzspektren ein-, zwei- oder dreidimensional sein und sowohl einen kontinuierlichen, als auch einen diskreten Definitionsbereich aufweisen. (vgl. Hauske 2003Hauske, G. (2003): Systemtheorie der visuellen Wahrnehmung. Herzogenrath). Entscheidend für die folgenden Überlegungen ist die Ausgangslage, dass der Unterschied von „Frequensbestandteilen“ zu Informationen führt. Dieser Unterschied wird aber u.a. von der Bedeutungs- und Bewertungsseite bestimmt ( Klix, 1971, S. 58Klix, F. (1971): Information und Verhalten. Kybernetische Aspekte der organismischen Informationsverarbeitung. Einführung in naturwissenschaftlichen Grundlagen der Allgemeinen Psychologie. Bern), das heißt, dass dann aus Reizunterschieden spezifische graphische und inhaltliche Informationen abgeleitet werden. Entscheidend für die folgenden Überlegungen ist, dass der Unterschied von „Frequensbestandteilen“ zu Informationen führt.
So wirken auf dieser Informationsebene Kontrasterscheinungen und Nachbarschaftsrelationen im Zusammenhang mit assoziativen gedanklichen Wissenskonstrukten, die zum Teil zu durch Aufmerksamkeit geleitete Vorstellungen führen. Das Konzept wird in den Abschnitten B und C der Arbeit weiter differenziert und ist insgesamt für die theoretischen und empirischen Untersuchungen dieser Arbeit relevant.

Tab. 41.1 Reizkategorien kartographischer Elemente und Merkmale

4.1.1 Primärreize

Unter Primärreiz wird ein Reiz verstanden, der unmittelbar als Reflexion oder Lichtstrahl vom Auge aufgenommen, entsprechend seines Reizpotentials in elektrische Impulse umgewandelt und danach vor allem als Farbton, als Helligkeitswert oder Grauton, als Randkontrast, als linearer oder flächiger „Flecken“ (vgl. Bertin 1974, S. 183f Bertin, J. (1974): Graphische Semiologie. Diagramme, Netze, Karten. Berlin, New York) unterschieden wird. Jeder dieser optischen Reize wird in einer räumlichen Szenerie identifiziert, so dass er nicht nur hinsichtlich seiner graphischen Substanz, sondern auch hinsichtlich seiner Position im visuellen Feld verarbeitet wird. Diese „graphische Position“ verfügt nicht über Merkmale einer georäumlichen Lage, also nicht über Werte eines Koordinatensystems, sondern über geometrisch-topologische Positionen und Relationen im Gesichtsfeld und zu seinen Nachbarn und wird auch entsprechend neuronal verarbeitet. Unter Primärreiz wird ein Reiz verstanden, der vom Auge aufgenommen und danach als Farbton, als Helligkeitswert, als Randkontrast, als linearer oder flächiger „Flecken“ unterschieden wird.
In kartographischen Präsentationen werden in der Regel sowohl gleich wirkende als auch unterschiedlich wirkende graphische Elemente in großer Anzahl angeboten (vgl. z.B. Abb. 34.3). Ohne eine spezifische Fragestellung werden die Reizstrukturen im Wesentlichen präattentiv verarbeitet (vgl. Kap. 3.3.1) und damit nur kurzzeitig gespeichert. Allerdings kann erwartet werden, dass die in der Regel eher (inhaltlich) geordnete Elementstruktur in kartographischen Präsentationen zur Aufmerksamkeitseffekten führt und damit Muster, die beispielsweise verglichen werden, längerfristiger gespeichert werden müssen. Bei Intensivierung der Aufmerksamkeit, z.B. aufgrund von „herausragenden“ Reizmustern oder durch Merkmale, die kontextuell von Interesse sind, werden Elementstrukturen gedanklich so repräsentiert, dass ggf. vergleichende oder bewertende Operationen möglich sind. Insgesamt werden auf dieser Ebene visuelle Operationen, einschließlich die der Augenbewegungen, von der Reizvorlage aus beeinflusst, das heißt, die Vorgänge sind überwiegend bottom-up geleitet. Insgesamt werden Primärreize von der Reizvorlage aus beeinflusst, das heißt, die Vorgänge sind überwiegend bottom-up geleitet.
Aus Primärreizen werden Muster abgeleitet, die sich unmittelbar aus den optischen Merkmalen der beteiligten Reizstrukturen ergeben und die sich auf einzelne Elementpaare oder große Mengen von Elementen beziehen können. Als elementarer Operationstyp ist die Identifizierung der räumlichen Verteilung identischer Elemente in visuellen Feldern bzw. durch Blickbewegungen im gesamten Gesichtsfeld zu erwarten. Allerdings können die extrahierten Elemente und abgeleiteten Informationen nur sehr eingeschränkt gedanklich behalten und erinnert werden. Auch Prozesse der visuellen Abgrenzung oder des kategorialen Mengenvergleichs zwischen mehreren Häufungen führen zu relativ eingeschränkten Ergebnissen, die in der Regel nur in abstrahierter Form gedanklich repräsentiert und erinnert werden können. „Elementhäufungen“ und der kategoriale Mengenvergleich zwischen mehreren Häufungen wird in der Regel nur in vereinfachter Form gedanklich repräsentiert und nicht länger erinnert.
Zur Merkfähigkeit von primären graphischen Reizen bzw. Mustern ist besonders der Ansatz von Brainerd et al. 1990 Brainerd, C.J. u. Reyna, V.F. (1990): Gist is the grist: Fuzzy trace theory and the new intuitionism. Developmemtal Review, 10, 3-47 mit seiner Unterscheidung von verbatim (wörtlich, exakt) – fuzzy traces (unscharf, übergeordnet) von Interesse (vgl. Kap. 3.2.2). Bei dieser Überlegung handelt es sich um ein „vorgestelltes“ Kontinuum der „Exaktheit“ (vgl. Schumann-Hengsteler 1995Schumann-Hengsteler, R. (1995): Die Entwicklung des visuell-räumlichen Gedächtnisses. Göttingen; Nieding 2006 Nieding, G. (2006): Wie verstehen Kinder Texte? Die Entwicklung kognitiver Repräsentationen. Berlin.). Dem einen Ende des Kontinuums sind graphische Elemente zugeordnet, die verbatime enkodiert werden, d. h. in allen Details, dem anderen Ende übergeordnete Strukturen und Mustereigenschaften, die als fuzzy traces enkodiert werden, was jeweils für den Prozess der Musterentdeckung und für die Merkfähigkeit von Elementen unterschiedliche Voraussetzung ergibt. Primärreiz-Muster werden in Form von exakten Details oder als unscharfe, übergeordnete Mustereigenschaften enkodiert.
Interessant ist der Hinweis von Schumann-Hengsteler (1995, S. 91f Schumann-Hengsteler, R. (1995): Die Entwicklung des visuell-räumlichen Gedächtnisses. Göttingen), dass die Möglichkeit besteht, dass auch in unterschiedlichem Umfang Strukturen von der Qualität verbatim und fuzzy trace gemeinsam enkodiert und diese, z. B. zum Vergleich mit anderen Mustern, „nach Bedarf“ zusammen weiterverarbeitet werden. Unterstützt wird diese Annahme, dass bei diesen visuellen Operationen nämlich generell von dem Einfluss unterschiedlicher Gestaltprinzipien auszugehen ist (Gestaltgesetze – vgl. Anderson 2007, S. 58f Anderson, J.R. (2007): Kognitive Psychologie. Berlin, Heidelberg (Nachdruck 2012)), wie etwa dem Prinzip der Geschlossenheit oder der Nähe und Ähnlichkeit
(vgl. Kap. 3.4.2.2; Metzger 1975 Metzger, W. (1975): Gesetze des Sehens. Frankfurt.), was der Qualität von fuzzy traces Strukturen entsprechen würde.
Für den Prozess der Musterentdeckung impliziert diese Unterscheidung abgestufte Voraussetzungen für die gedankliche Verarbeitung.

4.1.2 Expressive Reize

Der Begriff „Expressivität“ („expressiver Reiz“) findet – anders, als er im Folgenden definiert wird – vor allem im Sinn von „Ausdrucksfähigkeit“ Verwendung, also im Zusammenhang mit Empfindungen und Emotionen und spielt z.B. in den Bereichen „Informationsvisualisierung“ oder „Info-Graphik“ eine Rolle (vgl. Weber et al. 2013Weber, W., Burmester, M. u Tille, R. (Hrsg.) (2013): Interaktive Infografiken. Berlin, Heidelberg). Für die Bereiche Wissenschaftliche Visualisierung und Kartographie wird der Begriff im Lexikon der Kartographie und Geomatik in zweierlei Hinsicht verstanden (Bollmann et al. 2001 Bollmann, J. u. Schumann, H. (2001): Expressivität. In: Lexikon der Kartographie und Geomatik. 1, Heidelberg): Für die Wissenschaftliche Visualisierung ist Expressivität ein „Kriterium zur Beschreibung der Eigenschaft einer visuellen Repräsentation, die in den Daten enthaltenen Informationen (und nur diese) darzustellen“ (S. 213). Für die Kartographie wurde die Bedeutung im Sinn von „besondere Ausdrucksfähigkeit“ gewählt. Der Begriff „Expressivität“ („expressiver Reiz“) findet vor allem im Sinn von „Ausdrucksfähigkeit“ Verwendung, also im Zusammenhang mit Empfindungen und Emotionen.

 

In der vorliegenden Arbeit steht der Begriff Expressiver Reiz für eine „über elementare visuelle Reize hinausgehende Empfindung oder Bedeutung“, die sich ergibt, wenn spezifische positions- und intensivitätsdifferenzierte Relationen von (Primär-) Reizen durch gedankliche Filterungen und Erweiterungen zu entsprechenden Repräsentationen führen. Dies ist in etwa vergleichbar mit Bezeichnungen aus dem Bereich der „Klassischen Konditionierung“, wo mit „neutralen“, „bedingten“ und „unbedingten“ Reizen der Einflusscharakter oder die Reaktionsform von Reizen bezeichnet wird
(vgl. z.B. Mazur et al. 2006 Mazur, J.E. u. Steinweg-Fleckner, E. (2006): Lernen und Verhalten. Halberg Moos). Die für Expressive Reize genannte Definition berührt zwar die grundlegenden Vorstellungen als „Eigenschaft einer visuellen Repräsentation“, betrachtet diesen Ansatz allerdings nicht nur funktional, sonders als spezifischen Vorgang und spezifische Wirkung der visuellen Reizverarbeitung.
In der vorliegenden Arbeit steht der Begriff Expressiver Reiz für eine „über elementare visuelle Reize hinausgehende Empfindung oder Bedeutung“, die sich ergibt, wenn spezifische positions- und intensivitätsdifferenzierte Relationen von (Primär-) Reizen durch gedankliche Filterungen und Erweiterungen zu entsprechenden Repräsentationen führen.
Ein Beispiel für die Wirkung expressiver Reize im Rahmen von empfindungsgemäßen Bezugssystemen lässt sich mit dem Vergleich von verwandten Reizen, also beispielsweise von zwei unterschiedlich großen Kreisen als Primärreize, verdeutlichen. Dabei kann sich die Relation “größer“ (oder kleiner) und gegebenenfalls „etwas größer“ usw. ergeben. Nach Klix 1971 Klix, F. (1971): Information und Verhalten. Kybernetische Aspekte der organismischen Informationsverarbeitung. Einführung in naturwissenschaftlichen Grundlagen der Allgemeinen Psychologie. Bern kann der genannte „wertende Zusammenhang“ auch mit dem Begriff „Ankerreiz“ verbunden werden. Dieser Bezugsreiz wird als Primärreiz in einen Bezugsrahmen gestellt oder als Adaptationsniveau zur Reizanpassung genutzt.
Von Helson 1947 Helson, H. (1947): Adaptation-level as a frame of reference for prediction of psychophysical data. American Journal of Psychology, 60, 1-29. wurde in der Psychophysik ein definiertes Adaptationsniveau als das gewichtete geometrische Mittel aus den aktuell zu beurteilenden Reizen angenommen. Nach Sarris 1975 Sarris, V. (1975): Wahrnehmung und Urteil. Göttingen werden darüber hinaus komplexere Beziehungen als Kontrasteffekte angenommen, wenn sich z. B. ein Ankerreiz zur Reizumgebung stark unterscheidet.
Expressive Reize resultieren aus dem Vergleich und der Differenz von verwandten Reizen, also beispielsweise aus der Relationswirkung von zwei unterschiedlich großen Kreisen als Primärreize.
4.1.2.1 Bedeutungskategorien
Für die visuell-kognitive Ableitung von Bedeutungen aus graphischen Zeichen können drei bzw. vier expressive Reizstrukturen unterschieden werden (vgl. Tab. 41.1). Die Reizstruktur ergibt sich aus der Beziehung von optisch wirksamen Merkmalen von Objekten oder Klassen und deren gedanklich zugehörigen Bedeutungen –  zeichentheoretisch als ikonische Referenz bezeichnet. Weiterhin können symbolische Referenzen und indexikalische Reverenzen unterschieden werden, die als kartographische Zeichenformen in ihren Beziehungen zu Bedeutungen in der Regel auf Konventionen beruhen: Es lassen sich ikonische,  symbolische  und indexikalische Referenzen unterschieden, die als kartographische Zeichen in ihren Effekten zum großen Teil auf Konventionen beruhen.
  • ikonische, ikonographische Referenz: optische Elemente einer Klasse bzw. eines Objektes führen zu visuell-assoziativen Vorstellungen eines zugehörigen Merkmals und bilden gedanklich-konventionell mit der damit verbundenen Bedeutung zu dem repräsentierten Begriff;
    Beispiele: Aufriss eines Fabrikgebäudes – „Industrieeinrichtung“; Textur von Baumkronen – „Waldareal“; Silhouette eines Krahns – „Hafengelände“; Abbild einer Kuh – „Landwirtschaftliche Einrichtung“;
  • symbolische Referenz: optische Merkmale kulturell beständiger oder bekannter Zeichen führen aufgrund von konventionellen Referenzen gedanklich zu einer symbolischen Bedeutung; diese aktuelle oder in der Vergangenheit liegende Zuordnung des Zeichens zu der entsprechenden Bedeutung ist dabei häufig nicht mehr gedanklich nachvollziehbar;
    Beispiele: Kreuz, Halbmond – entsprechende „religiöse Einrichtung“ (Christentum, Islam); gekreuzte Schlägel und Eisen – „Bergbau“; Besenzeichen – „Straußenwirtschaft“;
  • indexikalische Referenz: optische Zeichen (Signale), die einen konventionell geprägten gedanklichen Reflex (Hinweis) auslösen;
    Beispiele: roter Pfeil – „dort, diese Richtung!“, „dort ist etwas herausragendes!“; rote Schraffur – „Sperrgebiet!“; Ausrufezeichen (!) als Bekräftigung – „Achtung, Gefahrenstelle!“; Querstrich am Ende eines Straßenzeichen – „dort, Ende der Straße!“.
4.1.2.2 Ordnungskategorien
Als expressiver Ordnungeffekt gilt die Verknüpfung gedanklich repräsentierter Merkmale von Gliederungskategorien mit wahrgenommenen abgestuften Reizwirkungen von Graphikelementen. Die Reizwirkung resultiert aus Form-, Farb-, Textur-, Helligkeits- und Größenreihen, die neben ihren Primärreizen aufgrund einer bestimmten relationalen Reizwirkung zu gedanklichen Ordnungsformen führen (vgl. Bertin 1974Bertin, J. (1974): Graphische Semiologie. Diagramme, Netze, Karten. Berlin, New York, Bollmann 1987 Bollmann, J. (1987): Computer-based modelling of thematic mapping. In: Nachrichten aus dem Karten- und Vermessungswesen, II, 46, 71-81, Frankfurt, Tainz 2001Tainz, P. (2001): Graphischen Variablen. In: Lexikon der Kartographie und Geomatik. 1, Heidelberg). Als expressive Ordnungseffekt gilt die Verknüpfung gedanklich repräsentierter Merkmale von Gliederungskategorien mit wahrgenommenen abgestuften Reizwirkungen von Graphikelementen.
Angeboten werden Elemente von Ordnungsreihen, die durch ihre verschiedenen primären Reizstrukturen unterschieden werden und aus denen gemeinsam, aufgrund ihrer expressiven Effektes, ihr Ordnungscharakter abgeitet wird:
  • qualitative Effekte: „unterschiedlich“ wirkende optische Primärreize, die keine „betonende“ Wirkung hervorrufen (Formen, Farben, Texturen), assoziieren begriffliche (kategoriale) Unterschiede zwischen Merkmalen einer Klasse;
    Beispiel: Reihe von Formzeichen mit gleicher Komplexitätswirkung: Kreis, Rechteck, Dreieck – Differenzierung „gleichwertiger“ Industriesparten (z.B: Chemie, Stahl, Textil etc.);
  • Ordnungseffekte: zunehmende oder abnehmende Intensitätswirkung von Primärreizen, die den Effekt einer „gestuften Reihenbildung“ hervorrufen (Helligkeit, Feinheitsgrad von Texturen), assoziieren (gleichabständig) zunehmende kategoriale Unterschiede zwischen Elementen einer Klasse;
    Beispiel: Grautonreihe mit abnehmender Helligkeitswirkung: hellgrau mittelgrau, dunkelgrau – Abstufung von Bedeutungsmerkmale „schwach“, „mittel“, „stark“ von Klassenelementen;
  • quantitative Effekte: zunehmende oder abnehmende Intensitätswirkung von Primärreizen, die den Effekt einer kontinuierlich verlaufenden Reihe hervorrufen, assoziieren eine wertmäßig proportionale Abstufungen von Elementen einer Klasse;
    Beispiel: Größenabstufung von Kreisflächen – proportionale Abstufung von „Einwohnerwerten“.
4.1.2.3 Bewertungskategorien
Die expressive Effekt von Bewertungskategorien kann sowohl aus der Wirkung von einzelne Elementen (Objekten oder Begriffen) – also lokal und regional begrenzt – oder auch aus der von mehreren bzw. sämtlichen Elementen einer Präsentation resultieren.

Für die oben bei den Ordnungskategorien genannte visuell-gedankliche Bildung von Reihenqualitäten wird ein relativ hohes Abstraktionsniveau und ein großer Selektionsaufwand vorausgesetzt. Ein vereinfachter Zusammenhang ergibt sich durch die Gegenüberstellung von extremen Positionen in einer Reihe, also z.B. das Minimum und/oder das Maximum, die visuell-gedanklich vermutlich „bevorzugt“ für eine Musterbildung genutzt werden. Eine solche Priorisierung und Bevorzugung von Polaritäten als Wertverteilungstendenz entspricht Entscheidungen, die auch im Rahmen von normalen Problemlösungsvorgängen spontan gewählt werden, in dem das Merkmalangebot reduziert oder konzentriert wird. Für diesen Auswahlprozess existieren für das betriebswirtschaftliche und rechnergestützte Zeitmanagements Beispiele, bei dennen durch sogenannte „Prozess-Scheduler“ (Scheduler = Steuerprogramme) mit Hilfe der Arbitrationslogik die zeitliche Priorisierung mehrerer Prozesse in Betriebssystemen geregelt und damit gedanklichen Formen von Problemlösungsprozessen nachgestellt werden.

Bei Bewertungskategorien werden expressive Effekte mit „extremer“ oder „gegensätzlicher“ Ausprägung ermittelt, beispielsweise als erste und letzte Position in einer Folge sich verstärkender primärer Reize.
Die genannten Reizwirkungen müssen nicht eindeutig sein, dass heißt, es entstehen Widersprüche zwischen graphischem Angebot und gedanklichen Zielvorstellungen. Ein wichtiger Faktor ist dabei der sognannte Pop-Out-Effekt, bei dem eine bestimmte Reizausprägung oder Reizrelation „ins Auge springt“ und für die Gesamtbewertung prägend sein kann. Die im Folgenden aufgeführten Beziehungstypen, die überwiegend aus der Reizwirkung gegensätzlich wirkender Ausprägungen von Farbsättigung, Helligkeit und Größe oder aus der örtlichen oder mengenmäßigen Verteilung von Elementen resultieren können, spielen in Prozessen der Muster- und Objektbildung häufig eine wichtige Rolle: Die aufgeführten Beziehungstypen resultieren aus der Reizwirkung gegensätzlich wirkender Ausprägungen von Farbsättigung, Helligkeit und Größe sowie aus der örtlichen oder mengenmäßigen Verteilung von Elementen.
  • Priorität: Ausdruck für eine visuell-gedankliche „Hervorhebung“ von Merkmalen und Eigenschaften einer Elementmenge. Sie orientiert sich an der Wirkung georäumlicher Extremausprägungen mit Bevorzugung und Verstärkung des Eindrucks der favorisierten Elemente. Der Bewertungsvorgang kann zu einer „Resümeebildung“ im gesamten Wahrnehmungsprozess führen;
    Beispiel: Mengen von verteilten, unterschiedlichen Zeichenelementen mit in einem Bereich konzentrierten Elementen und mit farblich kontrastierenden Farben  –  Verteilung einer relativ geringen Menge „blaufarbiger“ Seenflächen vermischt mit einer größeren Anzahl anderer kultureller Nutzflächen; Priorität: Seengebiet;
  • Polarität: Ausdruck für eine deutlich empfundene  („überbetonte“) Abweichung zwischen Merkmalen von Elementen; Diese Wirkung ergibt sich besonders bei Elementen, die sich durch besonders auffallende geometrische und graphische Kontraste – wie Minimum- und Maximumausprägungen – unterscheiden. Dabei können weitere Elemente, die in ihrer visuellen Wirkungen zwischen den Ausprägungen der zu vergleichenden Elemente wahrgenommen werden, vernachlässigt werden. Die Größe des gesamten Kontrastunterschieds der Elemente bestimmt die Größe des empfundenen Unterschieds und kann diesen – z.B. abweichend von der vorgegebenen Daten- und Bedeutungsstruktur – verstärken oder abschwächen;
    Beispiel: verteilte Mengen von Zeichenelementen, bei denen zwei Mengen durch unterschiedliche Größen, Farben, Helligkeiten, Verteilungen etc. besonders kontrastierend wirken  –  Abbildung von Bodennutzungsflächen mit diversen Nutzungsarten, dabei unterscheiden sich Siedlungsflächen und Ackerflächen besonders durch ihre unterschiedlichen räumlichen Verteilungen, ihre Größen und in ihrem großen farblichen Kontrast. Obwohl nach der Intension des Themas und seiner Abbildung keine Wertung von Flächen beabsichtigt ist, werden die Siedlungsflächen und die Ackerflächen in einer besonders deutlichem Gegensatz wahrgenommen;
  • Stellenwert: Ausdruck von hoher und geringer „Bedeutung“, bei der die betroffenen Elemente aufgrund von externen Zielvorgaben als „isoliert“ von umgebenden Elementen empfunden werden. Obwohl sich die jeweils angesprochene Elementmenge in ihrer geometrischen und graphischen Wirkung nicht besonders von anderen Elementmengen unterscheiden muss, wirkt sie in ihrer optischen Umgebung aufgrund erhöhter Aufmerksamkeit kontrastierend und kann daher besonders gut visuell eingegrenzt und extrahiert werden;
    Beispiel: Verteilung von Zeichenmengen, die nach unterschiedlichen Größe und Helligkeit unterschieden sind; in der Regel sind die Zeichen mittlerer Größe und Helligkeit schwerer aus der Gesamtmenge zu isolieren, als die dunklen Zeichen mit maximaler Größe.  –  Abgebildete Gemeinden sind nach Einwohnerzahlen abgestuft; durch die „zielgerichtete Ansprache“ von „Mittelstädten“, die durch Zeichen mit mittlerer optischer Ausprägung abgebildet sind, können deutlicher zu ihrer räumlichen Umgebung visuell abgegrenzt und dadurch  leichter identifiziert werden.
4.1.2.4 Tiefenkategorien
Expressive Tiefeneffekte entstehen, wenn sich Vorstellungen oder im Gedächtnisbesitz befindliche vertikale Raumpositionen assoziativ mit ähnlich wirkenden graphischen Merkmalen verbinden. Die Tiefenwirkung von graphischen Elementen wird zum einen für die Abbildung dreidimensionaler Geländeoberflächen und zum andern für die optische Schichtung von Inhaltselementen (Kartenschichten) verwandt. Unterscheiden lassen sich folgenden Wirkungstypen: Expressive Tiefeneffekte entstehen, wenn sich Vorstellungen oder im Gedächtnisbesitz befindliche vertikale Raumpositionen assoziativ mit ähnlich wirkenden graphischen Merkmalen verbinden.
  • Schichtung: graphische Elemente werden durch graphische Gegensätze oder Abstufungen bei Farbsättigung, -temperatur und -helligkeit visuell getrennt und führen zu selbständig wirkenden visuellen Ebenen (Schichten); diese können durch zunehmende oder abnehmende Kontraste in ihrer Tiefenschichtung gegliedert werden; im Wahrnehmungsprozess wird dieses optisch repräsentierte Szenarium u.a. mit gedanklichen Erfahrungen aus der natürlichen Umwelt von „Vordergrund- und Hintergrundeffekten“ assoziiert. Diese abnehmende oder zunehmende Intensität von Grautönen („Trübung“), die mit in den Hintergrund oder den Vordergrund verlaufenden graphischen Szenarien verknüpft sind, verbinden sich assoziativ mit den gedanklich verfügbaren Wirkungseffekten von sog. Texturgradienten. Diese Gradienten stehen für Kontrastphänomene, bei denen der Kontrast mit zunehmender Raumtiefe abnimmt bzw. Texturen feiner oder „verwischter“ wirken lassen und damit eine Tiefenwirkung hervorrufen.
  • Neigung: sich verdichtende oder weiter entfernt voneinander, parallele verlaufende Linien (Linienscharung) sowie stärkere oder schmalere, parallel angeordneter Schraffuren führen zum Effekt sich verdunkelnder oder sich aufhellender Flächenpartien und werden mit steiler bzw. flacher verlaufenden Oberflächen assoziiert; im Wahrnehmungsprozess werden diese flächigen Effekte mit dem in der natürlichem Umwelt wirkenden und von der Sonneneinstrahlung hervorgerufenen Erscheinung von „Steilheit“ bis „Ebenheit“ assoziiert.
  • 3D-Effekt: eine kontinuierlich verlaufende Grautonverteilung, die auf einem „Oberflächengerüst“ angelegt und an der Schattenbildung einer angenommenen Lichtquelle orientiert ist; sie wird assoziiert mit gedanklich verfügbaren Schattenbildungseffekten der realen Umwelt.
Mit den aufgeführten graphischen und geometrisch-topologischen Merkmalen werden die wichtigsten Faktoren und Bedingungen Kartographischer Abbildung und Repräsentation erfasst und führen, wie angedeutet wurde, zu differenzierten Reizkonstellationen, die sich aus gezielt modellierten Präsentationen ergeben. Mit den aufgeführten graphischen Merkmalen werden die wichtigsten Faktoren  kartographischer Abbildung  erfasst.